Sam Bankman-Fried
»Wir wollen den Nutzern geben, was sie wollen auf einem legalen und regulierten Weg.«
Dieser Mann, der hier so vollmundig über Regeln und Rechtschaffenheit spricht, soll Milliarden US-Dollar von privaten Anlegern veruntreut haben. Sam Bankman-Fried, einst als Genie der Kryptowährungsszene gefeiert, muss sich in den USA vor Gericht verantworten.
Christoph Scheuermann, DER SPIEGEL
»Es ist der größte Fall, der größte Crash in der Kryptoszene überhaupt.«
Doch wer ist Bankman-Fried und wie konnte es so weit kommen? SPIEGEL-Autor Christoph Scheuermann hat mit seiner Kollegin Regina Steffens die Geschichte hinter dem tiefen Fall von FTX recherchiert, war dafür in den USA, auf den Bahamas und hat Bankman-Fried persönlich getroffen.
Aber, fangen wir ganz vorne an. Was war überhaupt FTX?
Christoph Scheuermann, DER SPIEGEL
»FTX war eine Kryptobörse, da konntest du als Kundin oder als Kunde Bitcoin oder Etherium kaufen, viele, viele andere Währungen. Du konntest auch komplizierte Finanzprodukte kaufen. Das war eine Börse, auf der du im Grunde alles machen konntest, was du auch bei einer Sparkasse, Investmentbank und Aktienbörse gleichzeitig machen konntest. Und die ist pleitegegangen.«
Geht man heute auf die Seite von FTX, steht dort: Diese Seite wird nicht mehr betrieben. Ein Link führt zu einer langen Liste voller FTX-Firmen, in denen das Geld von Privatleuten wie Investoren steckte. Deren Geld sollen Sam Bankman-Fried und seine Banker verzockt haben. Grob zusammengefasst lief das laut Staatsanwaltschaft so ab:
Bankman-Fried gehören zwei Firmen: Die Kryptobörse FTX und ein Hedgefonds namens Alameda, der unter anderem mit Kryptowährungen spekuliert. Im Frühjahr 2022 wird der Kryptomarkt instabil und Alameda rutscht tief in die roten Zahlen. Daraufhin leiht sich Alameda Geld von FTX, um das Loch zu stopfen. Offenbar auch Gelder von Kunden, ohne dass die darüber Bescheid wissen.
Im November 2022 erscheint dann ein Artikel, der diese Machenschaften bei FTX offenlegt. Im Anschluss tritt sein schärfster Konkurrent per Tweet nach. Es kommt zu einem sogenannten »bank run«: Die Anleger wollen nun alle auf einmal ihr Geld von der Kryptobörse abziehen. Doch FTX kann nicht zahlen, weil das Geld ja bei Alameda eingesetzt wurde. Die Plattform wird zahlungsunfähig.
Christoph Scheuermann, DER SPIEGEL
»Wir reden nicht über Millionen, oder hunderte Millionen, wir reden über viele Milliarden, es ist noch nicht ganz klar, wieviel Geld da verloren gegangen ist. Schätzungen sagen, so um die acht Milliarden.«
Aber: Wieso konnte der FTX-CEO eigentlich so ungehindert handeln? Die Antwort: Der Kryptomarkt galt lange als eine Art Wilder Westen des Kapitalismus: kaum reguliert und mit hohen Risiken. Etablierte Player der Finanzwelt blickten skeptisch auf diesen jungen Markt, mieden lange Zeit große Investitionen. Bankman-Fried wollte das ändern und Krypto seriös machen.
Christoph Scheuermann, DER SPIEGEL
»Sam Bankman-Fried kam zu einer perfekten Zeit in diese Kryptoindustrie, in diese Szene rein. Die war jahrelang geprägt von solchen Marktschreiern, Zockern, Tradern, die irgendwie dachten, irgendwie kann ich hier über Nacht mit einem Trade reicht werden. Er hat einen guten Draht zu Politikern aufbauen können, hat vor dem Kongress ausgesagt, war vorm Senat, vor dem Abgeordnetenhaus. Er hat auch viel Geld gespendet, um ein großer Player zu werden.«
Maxine Waters, US-Abgeordnete
»Herr Bankman-Fried, Sie haben nun fünf Minuten Zeit für Ihren Vortrag.«
Sam Bankman-Fried
»Es ist eine Ehre, hier zu sein. Zunächst ein bisschen über meinen Hintergrund. Ich bin in Stanford, Kalifornien aufgewachsen, war auf dem MIT und habe einen Abschluss in Physik.«
Christoph Scheuermann, DER SPIEGEL
»Sam hatte dieses Image und hat sich selber auch dieses Image gegeben, als der seriöse inmitten einer Branche von unseriösen Akteuren. Und er sprach die Sprache dieser Investoren aus dem Silicon Valley, dieser Risikokapitalfirmen.«
Bankman-Fried genoss also Vertrauen – und FTX wurde dadurch immer größer. Er inszeniert sich als Wissenschaftler, Nerd und Altruist, spendet Millionen für gemeinnützige Zwecke. In den US-Medien ist ein gern gesehener Gast, tritt auf als der nahbare Typ im lockeren T-Shirt.
CNBC-Moderatorin
»Können Sie uns sagen, wieviel Sie bislang gespendet haben?«
Sam Bankman-Fried, FTX-Gründer
»Etwa 100 Millionen Dollar.«
CNBC-Moderatorin
»Für einen Milliardär sind Sie sehr bodenständig. Fahren Sie keinen Lamborghini?«
Sam Bankman-Fried, FTX-Gründer
»Nein, tue ich nicht.«
Christoph Scheuermann, DER SPIEGEL
»Als wir beim ihm zuhause auf dem Wohnzimmersofa saßen, habe ich ihn gefragt: Wieviel Geld ist eigentlich verloren gegangen? Und er meinte: Ich weiß es selber nicht. Irgendwas so bei sieben Milliarden oder elf Milliarden, er wusste es nicht. Es sind einfach totale Fantasiesummen. Das sagt schon viel darüber aus, wie losgelöst dieser Mensch irgendwann war. Das hundert Millionen einfach so Zahlen sind, die man irgendwie ausgibt für eine Firma oder eine Beteiligung.«
FTX war auf den Bahamas beheimatet, wo es deutlich leichter ist, eine solche Firma aufzubauen. Und sich dem Zugriff der Behörden erst einmal zu entziehen. Schlussendlich wurde der 31-jährige Krypto-Trickser dort dann aber trotzdem verhaftet und an die US-Behörden ausgeliefert. Am dritten Oktober startet sein Prozess, die Anklage lautet: Betrug und Verschwörung. Das vorläufige Ende einer steilen Karriere. Und wie geht es jetzt weiter für die Kryptoszene?
Christoph Scheuermann, DER SPIEGEL
»Man hat einige Lehren aus diesem Fall gezogen, die Regulierungsbehörden gucken genauer hin, sie greifen teilweise auch hart ein, entziehen Lizenzen oder machen Börsen dicht. Das ist jetzt in einigen Ländern, auch europäischen Ländern der Fall gewesen in den letzten Monaten. Es ist trotzdem noch eine Menge zu tun. In Europa gibt es eine Kryptoregulierung, aber einige Börsen werden da mit Sicherheit noch Probleme bekommen.«
Author: Laura Taylor
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